DOK.FEST 2006 - Alle Preisträger

Auf dem DOK.FEST 2006 wurden folgende Preise verliehen: im Internationalen Wettbewerb der Dokumentarfilmpreis des Bayerischen Rundfunks und der Telepool sowie die von der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien vergebene Auszeichnung Der besondere Dokumentarfilm, der Festival-Preis Horizonte, der FFF-Förderpreis und der AVID-Preis.

Der „Dokumentarfilmpreis des Bayerischen Rundfunks und der Telepool“ (10.000 EUR) geht an

CASTELLS von Gereon Wetzel, Deutschland

Regisseur Gereon Wetzel (3. v. l.) freut sich über die begehrte Auszeichnung - und das Preisgeld. Auch Festivallleiter und Internationale Jury zeigen sich zufrieden (v.l.n.r): Keith Shiri, Hubert von Spreti, Kristina Schulgin, Hermann Barth und Zsuzsa Zádori.

Begründung der Jury:

„Castells“ ist ein seltener und ein fesselnder Film über ein Ritual  in einer Kleinstadt in Katalonien, menschliche Türme zu bauen.  Es ist eine universelle Geschichte über eine Gemeinschaft mit einer starken Basis und der Zukunft an der Spitze. Die Filmemacher erschaffen ein wunderbar gebautes Bild einer Gruppe, die auf dem Weg zu einem gemeinsamen Ziel ist. Durch den Erzählstil des Films werden wir Teil dieses Prozesses, wir erleben Ambivalenz, mal teilen wir die gleichen Gefühle, mal sind wir entfernt aus persönlicher Furcht. Die Geschichte ist richtiges Kino im besten, professionellen Sinne, mit einem aufregenden Plot, ausgezeichneter Kamera, Schnitt und Ton. Die Jury beschloss einstimmig, diesen Film als herausragendes, positives Beispiel für das kreative Dokumentarfilm-Machen, auszuzeichnen

Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) vergibt den Preis „Der Besondere Dokumentarfilm“ (2.500 EUR) an

SISTERS IN LAW von Kim Longinotto und Florence Ayisi, Großbritannien

In “Sisters in Law “treffen wir zwei mutige Frauen, die versuchen, Menschen zu unterstützen, in dem sie für Gerechtigkeit durch das Gesetz sorgen. Sie stemmen sich gegen traditionelles Verhalten und eingefahrene Gewohnheiten, gegen die weitverbreitete Gewalt gegenüber den Machtlosen in Kamerun. Die Opfer sind meist Frauen und Kinder, die durch das Engagement dieser beiden Anwältinnen Unterstützung für Ihre Rechte finden. Sie bekämpfen gemeinsam Missbrauch und Gewalt und erfüllen diese Aufgabe mit großer Hoffnung. Die Filmmacherinnen, Kim Longinotto und Florence Ayisi,  verstehen es geschickt, uns ins Zentrum des Geschehens hineinzuziehen: in Gerichtssäle, auf Strassen, in Gefängniszellen. Dieser beeindruckende Film gibt den Unterdrückten ein positives Signal, in dem er sich für ihre Rechte stark macht.

Den Festival-Preis Horizonte (dotiert mit 3.000 EUR) erhält der Film

ANGOLA – SAUDADES DE QUEM TE AMA (Saudades From the One Who Loves You) von Richard Pakleppa, Namibia

Der Film wirft Schlaglichter auf ein Land, das sich nach 27 Jahren Krieg und drei Jahren offiziellem Frieden in einer unermesslichen Diskrepanz zwischen Arm und Reich befindet. Der Film ist eine sensible und respektvolle Annäherung an eine traumatisierte Gesellschaft, die hin- und hergerissen ist zwischen Schmerz, Hoffnungen, unerfüllten Träumen sowie erfüllten Träumen, die der Realität nicht standhalten. Durch die vielschichtige Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Lebenswelten in Angola legt der Film einerseits unerträgliche Widersprüche und Perversionen offen. So stirbt trotz des Reichtums an Erdöl und Diamanten ein Drittel der Kinder, bevor sie das fünfte Lebensjahr erreichen. Andererseits schimmert stets durch Dreck, Gift, Verkrüppelung, Drogensucht und himmelschreiende soziale Ungerechtigkeiten eine Liebeserklärung an das Land und ein kleiner Hoffnungsstreifen auf eine bessere Zukunft für die Menschen, denen der Zuschauer begegnet. Mit seinem gerade nicht nur dokumentarischen, sondern auch lyrischen Blick auf Angola schafft der namibische Regisseur Richard Pakleppa gemeinsam mit dem angolanischen Musiker Paulo Flores ein visuell, musikalisch und thematisch lange nachwirkendes Gesamtkunstwerk aus Bildern, Musik und fiktiven Brieftexten „from the one who loves you“. Pakleppa holt den Zuschauer in seinen Seh- und Hörgewohnheiten ab, führt ihn mit eindringlichen Bildern durch die Parallelwelten dieses zerrissenen Landes und offenbart die Ambivalenzen des zwischen Hoffnungslosigkeit und Aufbruchswillen schwankenden Angola. „Angola – Saudades de quem te ama“ bringt uns ein in der westlichen Welt kaum beachtetes Land näher, in dem Menschen mit Würde, Stolz und Kraft ihr Leben selbst in die Hand nehmen – und dies, obwohl sie allen Grund zur Resignation hätten. Richard Pakleppas Schilderung afrikanischen Selbstbewusstseins erweitert damit das vorherrschende Afrikabild um eine wichtige Facette und bindet das Interesse des Zuschauers bis zur letzten Minute.

Ein lobende Erwähnung der Jury für den "Preis Horizonte" erhält der Film

ARCANA von Cristóbal Vicente, Chile

Der Preis für eine wunderbare Arbeit - Filmemacher Cristóbal Vicente (2.v.r.) aus Chile, Hermann Barth und die Jury HORIZONTE (v.l.n.r): Dr. Stefan Eisenhofer, Annette Rupp, Dr. Stefan Schmaus.

Begründung der Jury:

Mit unglaublich kraftvollen Bildern in schwarz-weiß zeigt Cristóbal Vicente im Film Arcana den Alltag von Gefangenen in dem inzwischen geschlossenen Gefängnis von Valparaiso in Chile. Das Eigentliche dieses Films liegt in dem, was man nicht sieht und wovon die Gefangenen nicht sprechen können: Folter, Demütigungen und Erniedrigungen. Die weitgehend festen und langen Kameraeinstellungen veranschaulichen den unerträglich eintönigen Alltag der Häftlinge. Nur in wenigen Momenten bewegter Kamera läuft man mit ihr Zellentüren ab, aus denen Hilferufe der Gefangenen zu hören sind. Am Ende schraubt sich die Kamera, das Bild nun in Farbe, langsam von dem auch den Zuschauer extrem beklemmenden Ort hinweg und beendet damit ein 150 Jahre währendes Grauen. Die Schwarz-Weiß-Bilder hinterlassen weitaus mehr Fragen als Antworten und bleiben vielleicht gerade auch deshalb lange im Bewusstsein des Betrachters.


Der Förderpreis des FilmFernsehFonds Bayern (5.000 EUR) geht an den Film

YAZIDS BRÜDER von David Vogel

Gabriele Pfennigsdorf (FFF Bayern, 3.v.r.), umrahmt von Kameramann Maximilian Plettau und Produktionsleiter Thomas Klimmer, überreichte den Förderpreis Dokumentarfilm. Die Entscheidung traf die Jury "Neue Filme aus Bayern" (v.l.n.r.): Friedrich Steinhardt, Josef Mayerhofer und Susan Gluth.

Die Begründung der Jury:

"Yazids Brüder" ist ein Film, der in einer besonderen Nähe zu den Protagonisten das Leben zwischen Erfolg und Niederlage beschreibt. Abseits von Fussball und Wettbewerb begleitet er eine Gemeinschaft, die bedingungslos ihren Träumen folgt. Stets unaufdringlich auf den Spuren der Menschen wandelnd, die uns an Orte führen, die wir fern von gängigen Klischees entdecken dürfen, lässt uns der Film teilhaben am immer gleichen Alltag von Personen, deren Leben bestimmt wird von Hoffnung - Hoffnung auf Erfolg durch Fleiss und Anstrengung. Ihr fester Glaube an das Erreichen ihrer Ziele ist stärker als die Angst vor dem Scheitern. Und doch werden die Helden am Ende erkennen, dass auch das Glück nicht fehlen darf auf dem Weg nach ganz oben.

Der Preis der Firma Avid Technology GmbH geht an

PORNOTALK – VON PFANDFLASCHEN UND TRAUMFRAUEN von Martin H. Schmitt

Festivalleiter Hermann Barth (v.l.n.r), die Jury Neue Filme aus Bayern und ein überglücklicher Filmemacher: Martin H. Schmitt empfängt ein hochwertiges, digitales Schnittsystem, gestiftet von der AVID Technology GmbH.

Die Begründung der Jury:

Eigentlich möchte man am liebsten wegschauen. Diese Reaktion scheint angesichts der unverblümten Art des Protagonisten nur natürlich. Doch der Film begegnet der Hauptfigur einfach mit der gleichen Direktheit ohne irgendetwas zu beschönigen. 
Ruppige Bilder und knallbunte Titelgestaltung provozieren zwar das filmästhetische Empfinden, betonen jedoch einen wesentlichen Charakterzug des Porträtierten. Der Film erreicht eine große Nähe und lässt sensible Momente entstehen, die verstören und noch tagelang berühren.